Die Häuser denen, die drin wohnen!

Topthema: Steigende Mieten

Die meisten der erlesenen, belesenen Leser und Leserinnen dieses Blogs kennen wohl das Haus in dem ich wohne – ja, das mit dem zum letzten Mal vor 700 Jahren gestrichenen Treppenhaus und der zwar denkmalgeschützten Fassade (auch hier im Titelbild dieses Blogs!), die aber nur noch hält, weil eine Schicht Plakate drüberklebt, aus der ein guter Archäologe die lokale Veranstaltungsgeschichte eben dieser Epoche ablesen könnte. O.k. Ich fühl mich ja hier bekanntlich wohl und frage mich aber seit ich hier wohne (etwa 10 Jahre), warum an dem Haus nix passiert, außer dass – zumindest im Hinterhaus – freiwerdende Wohnungen in der Regel nicht neu vermietet werden, so dass das Hinterhaus bis auf drei Wohnungen schon leer steht.

Naja, und dann wurde neulich mal wieder wie jedes Jahr der Mietspiegel verkündet: Mietsteigerungen in Altbauten über 10% – und stimmt: auch meine Vermieterin, die GSW, das ist eins der ganz wenigen Dinge, die sie hinkriegt: Den gesetzlichen Rahmen ausschöpfen und alle 15 Monate eine Erhöhung um 20 Prozent. Kein Wunder dass der Mietspiegel steigt. Die GSW ist eine der größten ehemals öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin. Seit 2004 ist sie privatisiert, gehört der Cerberus Capital Management, L.P., mit Sitz in New York City und einzig der Rendite ihrer Kapitaleigner verpflichtet. Seit 2010 ist die GSW eine Aktiengesellschaft, seit 2011 werden die Aktien an der Börse gehandelt. Anläßlich der Mietspiegelverkündung gabs also eine kleine Demo vor dem GSW-Tempel, die Pressekonferenz der Stadtentwicklungssenatorin (früher, vor der rot-roten Regierung in Berlin, hieß dieser Job noch Wohnungsbausenatorin – auch so ein kleines Zeichen) wurde von den Überflüssigen gesprengt, TonSteineScherben würden heute singen: „Nee, nee, nee, eher brennt die GSW“ und einige Leute besetzten tatsächlich ein leerstehendes Wohnhaus der GSW hier um die Ecke (Schlesische Str. 25), das entmietet worden war und demnächst luxussaniert werden soll.

Darum gehts nämlich hier: kapitalistische Stadtumstrukturierung, hier soll nur noch wohnen, leben, sein dürfen, wessen Leben für die denen es gehört, die maximale Rendite abwirft. Und in den Innenstadtbezirken sind das nunmal nicht – Leute wie ich, denen z.B. nichts Besseres einfällt als sich mit Stadtbienenhaltung abzugeben. Naja, wer’s wissenschaftlicher haben will, dem empfehle ich das Gentrifikation-Blog zur Frage „Warum die Mieten steigen“.

Die BesetzerInnen wurden zwar gleich am Abend wieder aus dem Haus geprügelt, zogen dann aber noch mit mehreren Hundert FreundInnen und NachbarInnen um die Häuser und haben ganz Arbeit geleistet, was ihre Recherche angeht: Sie präsentieren einen Vertrag, aus dem hervorgeht, dass das Land Berlin bzw. der Bezirk Kreuzberg im Jahr 1993 der damals noch öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft GSW 23 (in Worten: dreiundzwanzig) Häuser geschenkt hat – mit strengen Auflagen: Instandsetzung innerhalb von 10 Jahren, behindertengerecht, kein Weiterverkauf, keine Umwandlung in Wohneigentum ohne Zustimmung des Bezirks, nur bedarfsdeckende Mietsteigerungen. Wohlwollend könnte man es für eine Verwaltungsreformmaßnahme halten. Aber dann kam die Privatisierung der GSW und so wurde den Aktionären öffentliches Eigentum im wahrsten Sinne des Wortes geschenkt.

Aber in dem Vertrag steht auch: Sollte eine der Bedingungen nicht erfüllt werden, kann die Stadt das Haus zurückverlangen. Und selbst Bürgermeister Schulz sieht hier laut taz „Aufklärungsbedarf“: „Uns hat aber keiner von der GSW gefragt“, so Schulz. Also Vertragsbruch. Hier könnten das Land und der Bezirk die Eigentumsfrage aufmachen und rekommunalisieren. Von einem rot-roten Senat wäre das das Mindeste, was ich erwarten würde – stattdessen schickt dieser Senat die Prügelbullen los. Herr Schulz, dass Sie in dieser Situation – Wahlkampf in drei Monaten – anbieten, sich für Mietverträge beim Eigentümer einzusetzen, mag zwar beim schnellen Drüberlesen gut klingen, wird aber der Dreistigkeit des Vorgehens von GSW und neoliberal-rot-roter Senatspolitik in keinster Weise gerecht. Häuser verschenken geht also. Das haben wir jetzt gelernt. Sogar 23 auf einmal. Kümmern Sie sich jetzt darum, dass die betroffenen Häuser, in denen sich die GSW nicht an den Vertrag gehalten hat, den richtigen Leuten geschenkt werden!

Der Vertrag, für die Nachbarschaft in der Durchfahrt veröffentlicht

Und warum belabere ich Euch, meine ehrenwerten LeserInnen, mit all dem? Weil dem Vertrag eine Liste der 23 betroffenen Häuser beiligt. Die hab ich mir mal angesehen. Und siehe da: Unser Haus ist mit auf der Liste! Alle Nachbarn, die die Zeit zwischen 1993 und heute hier im Haus miterlebt haben, sind sich einig: Hier gabs keine Instandsetzung, schon gar nicht behindertengerecht, so dass sich der Sohn der Nachbarfamilie aus dem zweiten Stock bis heute jeden Tag halb getragen, halb geschubbst die Treppe hinauf bugsieren lassen muss. Alleine angesichts der unterlassenen Instandsetzung ist klar: Vertragsbruch seitens der GSW. Die Eigentumssituation also auch im Falle unseres Hauses offen. Mein Fazit: Ich hab ja nichts dagegen, wenn die Stadt Häuser verschenkt. Wenn, dann aber doch bitte an die Leute, die drin wohnen. Und zwar am besten in einer Form, die das Haus endgültig der Spekulationssphäre entzieht und soziales Wohnen langfristig garantiert, wie etwa das Mietshäusersyndikat.

Die Geschichte wird mit Sicherheit weitergehen.

Nachtrag: Freitags plakatiert, Mittwochs drauf abgekratzt und übermalt (Bild folgt demnächst). Als Instandsetzung gemäß Vertrag kommt die Streichaktion allerdings knappe acht Jahre zu spät. Sie zeigt allerdings, worauf die GSW-Schergen anspringen. Auf die Bitte um Vermietung der leerstehenden Nachbarwohnungen an Freunde und Bekannte jedenfalls nicht…

4 Gedanken zu „Die Häuser denen, die drin wohnen!“

  1. Danke für den Artikel und den Hinweis auf diesen „Vertrag“. Kann man juristische etwas dagegen unternehmen? Wohnungspolitisch hat dieser rot-rote Senat ziemlich versagt, das kann man nach 10 Jahren wohl sagen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Politik da in Zukunft eine positivere Rolle spielen wird. Eher im Gegenteil. Eine traurige Bilanz für die Linkspartei. Von der SPD erwartet man ja eh nichts mehr.

  2. was unternehmen?
    klar: mietstreik, d.h. miete auf ein treuhandkonto. dann warten ob bzw. bis die gsw klagt. dann mit gutem anwalt den vertragsbruch und die tatsache, dass die gsw ihr eigentumsrecht verwirkt hat, richterlich feststellen lassen. dann in selbstverwaltung übernehmen.

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